Aktuelles

Hier finden Sie NEWS zu aktuellen Rechtssprechungen
der unterschiedlichen Rechtsbereiche.

Eimer und Mager Rechtsanwälte

März 2022

Corona und Familienrecht - Wie ist zu verfahren wenn zwischen Eltern uneinigkeit über die Impfung ihres Kindes gegen corona herrscht?

 

 

Corona und kein Ende… Nachdem wir bereits über die Auswirkungen der Pandemie auf das Arbeits- und das Mietrecht berichtet haben, möchten wir an dieser Stelle eine Entscheidung aus dem Familienrecht mitteilen, die das Oberlandesgericht München am 18.10.2021 in einem Beschluss getroffen hat (Az.: 26 UF 928/21).

 

Der Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass sich die Eltern eines 12-jährigen Kindes darüber uneinig waren, ob das Kind mit einem durch die STIKO empfohlenen Impfstoff gegen Covid-19 geimpft werden sollte. Die Mutter des Kindes, die die Impfung befürwortete, beantragte bei dem zuständigen Familiengericht ihr die Kompetenz zur alleinigen Entscheidung der Streitfrage zu übertragen, § 1628 BGB. Das angerufene Amtsgericht entschied antragsgemäß. Gegen diese Entscheidung beschwerte sich der Kindsvater. Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung gehalten.

 

Grundsätzlich, so die Richter, könne bei Streitfragen vorliegender Art, die Entscheidungsgewalt dem Elternteil übertragen werden, das einer Empfehlung der STIKO folgen wolle. Die Impfempfehlungen der Kommission seien als medizinischer Standard anerkannt. Hierbei spiele es keine Rolle, dass der Impfstoff neu, bzw. neuartig sei. Das Gericht geht davon aus, dass der jeweiligen Kommissionsentscheidung eine grundlegende Prüfung und Abwägung aller für und gegen eine Impfung sprechenden Umstände zugrunde liegt. Auch etwaige Vorerkrankungen des Kindes geben keinen Anlass, zu einer anderen Entscheidung. Hierbei weist das Gericht darauf hin, dass die wegen der Impfung zu konsultierenden Ärzte eine Einzelfallprüfung vorzunehmen hätten und hiernach zu entscheiden ist, ob eine Impfung gewagt werden kann oder nicht. Die Erfahrung zeige, dass Impfungen nicht leichtfertig durchgeführt würden. Der Bundesgerichtshof hatte schon 2017 (Az.: XII ZB 157/16) entscheiden, dass die Entscheidungsgewalt bezüglich der Frage einer Impfung auf den Elternteil übertragen werden könne, der die Impfempfehlungen der anerkannten Stellen befolge. Allerdings war in der Entscheidung die Einschränkung getroffen worden, dass bei dem zu impfenden Kind keine besonderen Risiken bestehen dürften. Die angesprochene Entscheidung zeigt, dass Corona nicht nur die Gemüter der Menschen beschäftigt und erregt, sondern auch die der Juristen. 

 

Wir beraten Sie gerne! Ihr Rechtsanwalt Stephan Mager

 

 

Januar 2022

kündigung des mietverhältnisses wegen zahlungsverzugs - schonfristzahlung führt nicht zur Unwirksamkeit einer ordentlichen kündigung (bgh, urt. v. 13.10.2021 - viii zr 91/20)

 

 

Eine fristlose Kündigung wegen Mietrückständen (§ 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB) wird unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). 

 

In der Instanzenrechtsprechung wurde in den letzten Jahren diese in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB definierte Schonfristzahlung des Mieters vereinzelt auch auf eine ordentliche Kündigung bezogen, mit der Folge, dass der Mieter durch Ausgleich der Mietrückstände nicht nur eine fristlose, sondern auch eine ordentliche Kündigung seines Vermieters wieder zu Fall bringen konnte. 

Dieser Rechtsprechung hat der BGH nunmehr im Oktober 2021 eine deutliche Absage erteilt. Entgegen der Auffassung Vorinstanz (LG Berlin, Urteil vom 30.03.2020 – Az.: 66 S 293/19) sei die auf die ausgebliebenen Mietzahlungen gestützte ordentliche Kündigung nicht infolge der Schonfristzahlung (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB) unwirksam geworden. Eine solche Zahlung habe (lediglich) Folgen für die fristlose Kündigung. Die Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB ist auf die ordentliche Kündigung weder direkt noch analog anwendbar. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, der auch keinen Anlass sieht, davon abzuweichen. Vielmehr hat das Landgericht die anerkannten Grundsätze der Gesetzesauslegung missachtet. 

Für die Praxis bedeutet dies, dass ein Vermieter bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gegenüber einem Mieter stets neben einer fristlosen auch eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs aussprechen sollte, um das Mietverhältnis beenden zu können. 

 

Es bleibt jedoch abzuwarten, inwiefern die neue Bundesregierung das Mietrecht an dieser Stelle reformieren wird. Entsprechende Ankündigungen sind dem Koalitionsvertrag, zumindest kryptisch, zu entnehmen. Möglicherweise wird zukünftig die oben zitierte BGH-Rechtsprechung durch eine Gesetzesänderung zugunsten des Mieters, nach der auch eine ordentliche Kündigung durch eine Schonfristzahlung zu Fall gebracht werden kann, ablösen. 

 

 

Wir beraten Sie gerne! Rechtsanwalt Martin Eimer, LL.M. 

 

 

Januar 2022

kündigung des mietverhältnisses wegen zahlungsverzugs - schonfristzahlung führt nicht zur Unwirksamkeit einer ordentlichen kündigung (bgh, urt. v. 13.10.2021 - viii zr 91/20)

 

 

Eine fristlose Kündigung wegen Mietrückständen (§ 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB) wird unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). 

 

In der Instanzenrechtsprechung wurde in den letzten Jahren diese in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB definierte Schonfristzahlung des Mieters vereinzelt auch auf eine ordentliche Kündigung bezogen, mit der Folge, dass der Mieter durch Ausgleich der Mietrückstände nicht nur eine fristlose, sondern auch eine ordentliche Kündigung seines Vermieters wieder zu Fall bringen konnte. 

Dieser Rechtsprechung hat der BGH nunmehr im Oktober 2021 eine deutliche Absage erteilt. Entgegen der Auffassung Vorinstanz (LG Berlin, Urteil vom 30.03.2020 – Az.: 66 S 293/19) sei die auf die ausgebliebenen Mietzahlungen gestützte ordentliche Kündigung nicht infolge der Schonfristzahlung (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB) unwirksam geworden. Eine solche Zahlung habe (lediglich) Folgen für die fristlose Kündigung. Die Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB ist auf die ordentliche Kündigung weder direkt noch analog anwendbar. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, der auch keinen Anlass sieht, davon abzuweichen. Vielmehr hat das Landgericht die anerkannten Grundsätze der Gesetzesauslegung missachtet. 

Für die Praxis bedeutet dies, dass ein Vermieter bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gegenüber einem Mieter stets neben einer fristlosen auch eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs aussprechen sollte, um das Mietverhältnis beenden zu können. 

 

Es bleibt jedoch abzuwarten, inwiefern die neue Bundesregierung das Mietrecht an dieser Stelle reformieren wird. Entsprechende Ankündigungen sind dem Koalitionsvertrag, zumindest kryptisch, zu entnehmen. Möglicherweise wird zukünftig die oben zitierte BGH-Rechtsprechung durch eine Gesetzesänderung zugunsten des Mieters, nach der auch eine ordentliche Kündigung durch eine Schonfristzahlung zu Fall gebracht werden kann, ablösen. 

 

 

Wir beraten Sie gerne! Rechtsanwalt Martin Eimer, LL.M. 

 

 

August 2021

verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters für Schäden - auch bei naturkatastrophen wie am 14.07.2021 im Rhein-Sieg-Kreis und im Ahrtal?

 

Nach §§ 535, 536, 536a Abs. 1 BGB haftet ein Vermieter auch ohne Verschulden dem Mieter auf Ersatz des Schadens, der auf solche bereits bei dem Abschluss eines Mietvertrags vorhandene Fehler der Mietsache zurückzuführen ist, die deren Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch aufheben oder mindern. 

 

In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass als derartige Fehler der Mietsache nicht nur solche Mängel zu verstehen sind, mit denen die Mietsache selbst behaftet ist, sondern dass unter diesen Begriff auch tatsächliche und rechtliche Verhältnisse und Zustände fallen, die mit der Mietsache zusammenhängen und sie in ihrer Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch unmittelbar beeinträchtigen. Der BGH hat allerdings bereits in früheren Entscheidungen darauf hingewiesen, dass der Begriff des Fehlers nicht ins Uferlose ausgeweitet werden darf. Es geht daher nicht an, aus der bloßen Tatsache, dass die Möglichkeit einer schädlichen Einwirkung von Naturkräften auf die Mietsache besteht, jedenfalls dann, wenn eine solche Einwirkung zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages nicht voraussehbar und darüber hinaus kein Anhaltspunkt dafür gegeben war, dass eine solche Einwirkung befürchtet werden musste, den Schluss zu ziehen, dass eine Mietsache fehlerhaft ist, wenn sie wider aller Erwarten dennoch durch eine Naturkatastrophe in Mitleidenschaft gezogen wird (BGH NJW 1971, 424). Mieträume müssen so beschaffen sein, dass sie bei gewöhnlichen, der örtlichen Lage entsprechenden Wasserverhältnissen gegen Eindringen des Wassers geschützt sind. Der Vermieter ist daher verpflichtet, entsprechende Vorkehrungen zum Schutz der Mietsache zu treffen. Dann, wenn der Wassereintritt auf einer außergewöhnlichen Witterungslage beruht, liegt nach Auffassung des BGH kein anfänglicher Mangel der Mietsache vor (BGH NJW 1971, 424). Bei derartigen, nicht vorhersehbaren Naturereignissen, soll der Mieter nicht von dem allgemeinen Lebensrisiko zu Lasten des Vermieters befreit werden (OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1986, 108), anderenfalls werde die Garantiehaftung überdehnt (OLG München WuM 1991, 681). 

 

Unseres Erachtens war in Rheinbach mit einer solchen Naturkatastrophe trotz des Klimawandels nicht zu rechnen. Eine verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters für Schäden des Mieters, die auf das Überschwemmungsereignis vom 14.07.2021 zurückzuführen sind, dürfte somit ausscheiden. Anders könnte die Situation in solchen Regionen zu bewerten sein, in denen regelmäßig Überschwemmungen auftreten und der Vermieter keine Vorkehrungen getroffen hat. 

 

Wir beraten Sie gerne. Ihre Rechtsanwälte Eimer & Mager

 

 

Juni 2021

staAtliche schließungsanordnungen im einzelhandel im rahmen der corona-pandemie - miete ist um 50 % reduziert! (OLG Dresden, urteil vom 24.02.2021 (5 U 1782/20)

 

 

Der Mieter betreibt in Deutschland ca. 3.000 Textileinzelhandelsgeschäfte. Während der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten staatlichen Schließungsanordnungen bleiben die Geschäfte des Mieters im Zeitraum 19.03.2020 bis 19.04.2020 geschlossen. Mit Schreiben vom 24.03.2020 kündigte der Mieter an, die Miete für April 2020 nicht zu zahlen. Ab Mai nimmt der Mieter die Mietzahlung wieder auf. Staatliche Finanzhilfen erhält der Mieter nicht, ein Großteil der Belegschaft befindet sich in Kurzarbeit "0". Der Vermieter einer Filiale in Chemnitz mahnt die Bezahlung der Miete für April 2020 i.H.v. ca. 7.854 Euro an und erhebt nach Fristablauf Klage. Das Landgericht gibt ihm Recht. Der Mieter geht in Berufung. Teilweise mit Erfolg! 

 

Das OLG Dresden verneint die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung durch den Vermieter und einen Mangel der Mietsache. Die staatliche Schließungsanordnung begründe aber eine Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB. Bei der Beurteilung des normativen Elements, ob dem Mieter das Festhalten am unveränderten Mietvertrag zumutbar ist, weicht das OLG Dresden von den meisten Entscheidungen auf Landgerichtsebene, aber auch vom OLG Karlsruhe (Urteil vom 24.02.2021 - 7 U 109/20 (nicht rechtskräftig) und OLG München (Beschluss vom 17.02.2021 - 32 U 6358/20) ab und verlangt nicht, dass der Mieter durch die staatlichen Schließungsanordnungen in eine existenzgefährdende Lage geraten müsse. Bei einem Mietvertrag handle es sich um ein Dauerschuldverhältnis, Miete werde für die Nutzung eines bestimmten Zeitabschnitts, regelmäßig für einen Monat gezahlt. Bei der daraus abzuleitenden Betrachtung je Monat sei es für den Mieter unzumutbar, die Miete für ein Mietobjekt zu zahlen, das er aus von ihm nicht zu vertretenden und nicht vorhersehbaren Gründen nicht nutzen könne. Da aber auch der Vermieter die Schließung nicht zu vertreten und bei Abschluss des Mietvertrags auch nicht vorhergesehen habe, sei eine Reduzierung der Miete um 50% die angemessene Anpassung. Die Frage, ob die Quote anzupassen ist, falls der Mieter staatliche Zuschüsse bekommt, lies das OLG Dresden offen, da der Mieter hier solche nicht erhält. 

 

Auch das OLG Dresden hat die Revision zugelassen. Ohnehin warten alle nun auf den BGH, soweit sie nicht für sich selbst Rechtssicherheit durch einen Nachtrag im Mietvertrag geschaffen haben. 

 

Wir beraten sie gerne! Rechtsanwalt Martin Eimer, LL.M. 


April 2020

Corona-Pandemie: Gewerbemiete in Zeiten von Covid-19

 

Die Corona-Pandemie führt aktuell dazu, dass vertragliche Leistungen und Gegenleistungen nicht mehr dem entsprechen, was die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu ihrer Vorstellung gemacht haben.

 

Aus Sicht des Gewerberaummieters, der sich meist langjährig vertraglich bindet, ist daher zu prüfen, ob ein Recht zur fristlosen Kündigung oder zumindest ein Anspruch auf Vertragsanpassung existiert.

 

1.

Ein auf Gewährleistungsrecht gestütztes Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1, § 536 Abs. 1 und Abs. 2 BGB würde einen Mangel oder das Fehlen zugesicherter Eigenschaften der Mietsache voraussetzen. In beiden Alternativen stellt sich jedoch das Problem, dass die entscheidenden Umstände, die den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg des Mietergeschäfts determinieren, keinen unmittelbaren Bezug zur Beschaffenheit des Mietobjekts haben. Demzufolge ist ein auf Gewährleistungsrecht gestütztes Kündigungsrecht nicht einschlägig.

 

Nicht die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjekts, sondern das allgemeine unternehmerische Verwendung- und Gewinnerzielungsrisiko, das beim Mieter und nicht bei dem Vermieter liegt, ist betroffen. Grundsätzlich ist also festzuhalten, dass das Ertrags- und Verwendungsrisiko, d. h. die Ungewissheit, in dem angemieteten Objekt das eigene oder überhaupt irgendein Geschäftskonzept verwirklichen zu können, grundsätzlich allein zulasten des Mieters geht.

 

2.

In extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt, soll trotz einseitiger vertragliche Risikozuweisung eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage möglich sein (vgl. hierzu BGH NZA 2000,492 ff.).

 

Die Geschäftsgrundlage wird gebildet durch die gemeinschaftlichen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder durch die bei Abschluss des Geschäfts zutage getretenen, dem Vertragspartner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des anderen Teils von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt oder Fortbestand bestimmter Umstände, auf die sich der Geschäftswille der Parteien aufbaut. 

 

Die Geschäftsgrundlage entfällt unter anderem auch dann, wenn eine tatsächliche Entwicklung eintritt, die von beiden Seiten nicht vorhergesehen worden ist. Dies dürfte bei höherer Gewalt wie der Corona-Pandemie sicherlich ausreichend sein. Diese Entwicklung war für keine der beiden Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhersehbar. Wird das ursprünglich bei Vertragsschluss vorhandene Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenz) durch unvorhergesehene Veränderungen so schwer gestört, dass damit das von einer Partei normalerweise zu tragende Risiko (Verwendungsrisiko beim Mieter) in unzumutbarer Weise überschritten wird, so ist der Vertrag den veränderten Umständen anzupassen (vgl. hierzu BGH NJW-RR 1993, 773 ff.). Bei Überschreitung des üblicherweise übernommenen Äquivalenzstörungsrisikos ist es gerechtfertigt, im Wege der Vertragsanpassung von der grundsätzlichen Risikozuweisung abzuweichen und letztlich dieses „exorbitante“ Risiko bzw. die damit verbundenen Kosten auf beide Parteien angemessen zu verteilen (vgl. hierzu BGH NJW-RR 1993, 773 ff.). 

 

Dieser Eingriff in das Vertragsverhältnis ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Belange einer Partei auch nicht mehr annähernd gewahrt sind. Demnach muss nicht nur eine schwerwiegende Äquivalenzstörung vorliegen, sondern die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag muss auch auf die infrage stehende Äquivalenzstörung zurückzuführen sein. Diese Opfergrenze, d. h. die unzumutbare Überschreitung des allgemeinen vertraglichen Risikos einer Äquivalenzstörung wird daher zum einen vom Umfang der Risikoübernahme, d. h. den Erwartungen, die die Parteien redlicherweise bereits bei Vertragsschluss im Hinblick auf die gesamte Länge der Vertragslaufzeit haben mussten, zum anderen vom Ausmaß der aufgrund der Äquivalenzstörung zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile, und damit unter anderem von der Länge der Restlaufzeit des Vertrags bestimmt.

 

Denkbar ist daher grundsätzlich, dass in der aktuellen Situation der Corona-Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB vorliegt, die dem Mieter ein Anspruch entweder auf Vertragsanpassung oder, wenn dies nicht zu einem interessengerechten Ergebnis führt, sogar auf Vertragsbeendigung einräumt.

 

Die Corona-Pandemie und die aus diesem Grunde behördlich angeordneten Einschränkungen stellen eine solche unvorhersehbare schwerwiegende Veränderung der vertraglichen Grundlage dar, da zumindest anzunehmen ist, dass eine der Vertragsparteien (in der Regel der Mieter) bei Kenntnis der Veränderung durch die Corona-Pandemie den Mietvertrag nur mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte. 

 

Hier stellt sich vor dem Hintergrund der aktuell herrschenden Ausnahmesituation die Frage, ob nicht eine Änderung der gesetzlich vorgesehenen Risikoverteilung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzunehmen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH gebietet der Grundsatz der Vertragstreue, vom Vertrag nur dann abzugehen, wenn eine derartig grundlegende Änderung der maßgeblichen Umstände vorliegt, dass ein weiteres Festhalten an der ursprünglichen Vertragsregelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde. Für die Abkehr von diesem gesetzlichen Leitbild spricht, dass die Betriebseinschränkungen, die die Corona-Pandemie mit sich bringt, für viele Mieter eine Existenzbedrohung darstellen und nicht mit dem alltäglichen Gewinn- und Verlustrisiko eines Unternehmers zu vergleichen sind. Solche Einschränkungen, wie sie das öffentliche Leben derzeit erfährt, gab es in der Bundesrepublik Deutschland bis dato noch nie.

 

Allerdings ist dies eine Frage des jeweiligen Einzelfalls und damit abhängig von den jeweiligen konkreten Umständen und vertraglichen Regelungen, ob diese tatsächlich zu derartigen untragbaren Ergebnissen führen.

 

3.

Zudem ist nicht klar, welchen Inhalt der Vertragsanpassungsanspruch des Gewerberaummieters haben kann.

 

Zu überlegen wäre, dass die Miete für einen gewissen Zeitraum (bis zur Beendigung der behördlichen Einschränkungen – Details müssten in der vertraglichen Anpassung benannt werden) reduziert wird. Hierbei wird sicherlich auch die ursprüngliche gesetzliche Risikoverteilung zu berücksichtigen sein. Ferner sind die Belange des Vermieters zu berücksichtigen, der ebenfalls in einer außergewöhnlichen Situation schutzbedürftig ist. Es ist davon auszugehen, dass die Nutzbarkeit der angemieteten Flächen vollumfänglich möglich wäre, jedoch der Betrieb des Mieters durch die behördlichen Anordnungen erheblich eingeschränkt ist (Kurzarbeit/Home Office/Umsatzeinrüche). Es erscheint interessengerecht, je nach Einzelfall eine Reduzierung der Mietzahlungspflicht zwischen 25 und 50 % im Rahmen der Vertragsanpassung zu vereinbaren. 

 

4.

Da es zu dem vorgeschriebenen Problem keine aktuellen gerichtlichen Entscheidungen gibt, ist eine gewisse Rechtsunsicherheit nicht von der Hand zu weisen. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass mögliche finanzielle Unterstützungsleistungen des Gewerberaummieters durch den Staat dazu führen können, dass eine ursprünglich extreme Störung des Äquivalenzgefüges zulasten des Mieters nunmehr erträglicher geworden ist, sodass die wegen des ursprünglichen Wegfalls der Geschäftsgrundlage angepasste Mietzinszahlung wieder rückgängig gemacht bzw. auf den ursprünglichen Stand des Mietvertrages zurückgeführt werden muss.

 

Zur genaueren Prüfung, ob ein Anspruch auf Vertragsanpassung existiert, wären zunächst die Beeinträchtigungen im Einzelfall aufzuführen und zu bewerten, die durch die Corona-Pandemie beim Gewerberaummieter aktuell entstanden sind.

 

Wir beraten Sie gerne. Ihre Rechtsanwälte Eimer & Mager

 

 

Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken, Urteil vom 14.08.2019 (5 U 87/18)

Eltern schulden Vertragsstrafe, wenn sie entgegen der erbvertraglichen Verpflichtung Immobilien verkaufen!

Die Eheleute schließen mit ihrer einzigen Tochter einen Erbvertrag. In diesem halten sie fest, dass die Ehegatten sich zunächst gegenseitig als Alleinerben einsetzen und die Tochter dann Erbin des zuletzt versterbenden Ehegatten sein soll (sog. Schlusserbin). Die Tochter verzichtet auf ihren Pflichtteil an dem Erbe des zuerst versterbenden Elternteils. Im Gegenzug verpflichten sich die Eltern, über ihren Immobiliennachlass nicht ohne Zustimmung der Tochter zu verfügen (bspw. verkaufen), „widrigenfalls sie in Geld schadensersatzpflichtig würden.“
Der Vater verstirbt; die Mutter ist Alleinerbin. Einige Jahre später verkauft die Mutter eines ihrer Grundstücke ohne Zustimmung ihrer Tochter. Die Tochter verlangt Schadensersatz in Höhe des erlangten Kaufpreises. Die Mutter lehnt jedoch den Schadensersatzanspruch ihrer Tochter mit der Begründung ab, dass der Tochter gar kein Schaden entstanden sei. Denn an ihrem derzeitigen Vermögen habe sich schließlich nichts geändert. Einen Unterschied würde die Tochter erst merken, wenn sie Erbin wird. Einen Anspruch könne sie demnach frühestens nach dem Tod der Mutter geltend machen. Die Richter folgen der Argumentation der Mutter nicht. Zwar ist es korrekt, dass ein Schadensersatzanspruch einen tatsächlichen entstandenen kausalen Schaden voraussetzt; auch ist es korrekt, dass der Tochter zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Schaden entstanden ist. Richtigerweise ist ein Schadensersatzanspruch der Tochter deshalb auch abzulehnen, aber darauf kommt es hier nicht an. Der Anspruch der Tochter besteht trotzdem. Die Richter werten die betreffende Klausel als Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Gegen diese Vereinbarung hat die Mutter verstoßen. Eine Vertragsstrafe ist, im Gegensatz zu einem herkömmlichen Schadensersatzanspruch, nicht von dem tatsächlichen Eintritt eines realisierten Vermögensschadens abhängig, sondern nur davon, ob gegen die zugehörige vertragliche Regelung verstoßen wurde. Genau so haben es die Beteiligten da-mals gewollt, urteilen die Richter. Anderenfalls würde die Sanktion völlig ins Leere laufen. Schließlich ist es zwangsläufig so, dass eine elterliche Verfügung über ihre Grundstücke nur zu einem Zeitpunkt erfolgen kann, wenn mindestens einer der Elternteile noch lebt. Dementsprechend kann die Tochter zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch Erbschaft Eigentümerin der Grundstücke geworden sein. Eine elterliche Verfügung über ihr Grundstück würde also naturgemäß keine tatsächliche Vermögensschädigung der Tochter hervorrufen. Es kann demnach nicht der Wille der Beteiligten gewesen sein, dass eine Vermögensschädigung Voraussetzung für einen Anspruch der Tochter sein soll.

Wir beraten Sie gerne! Rechtsanwälte Eimer & Mager

OLG Hamburg, Beschluss vom 03.01.2019 (2 W 45/18)

Erbscheinerteilung auf Grund einer Fotokopie des Testamentes?


Erblasser, die ein handschriftliches Testament errichtet haben, verwahren dieses häufig „in den eigenen vier Wänden“. Nicht selten ist dieses zu Hause verwahrte Testament nach Eintritt des Erbfalls nicht mehr auffindbar. Gründe hierfür können sein, dass das Originaltestament bei einem Umzug (z.B. in ein Pflege- oder Altenheim) verloren ging, versehentlich mit anderen Unterlagen vernichtet wurde, oder der Aufbewahrungsort ganz einfach vergessen wurde. Möglich ist natürlich auch, dass eine Person, die Zutritt zum Haus des Erblassers hatte, dieses Testament vorsätzlich entwendet und vernichtet hat. Oftmals haben Erblasser eine Kopie des Originaltestamentes gefertigt und diese Kopie Angehörigen, dem Steuerberater oder einem Rechtsanwalt ausgehändigt.

Für die im Testament begünstigten Personen stellt sich dann die Frage, ob sie – bei Nichtauffindbarkeit des Originaltestaments – allein auf Grund der Fotokopie des Testamentes einen Erbschein beantragen können. Verfahrensbeteiligte, wie z.B. die gesetzlichen Erben, behaupten im Rahmen des Erbscheinverfahrens dann oft, dass aus der Nichtauffindbarkeit des Originaltestamentes gefolgert werden müsse, dass der Erblasser noch selbst das Originaltestament vernichtet und damit widerrufen hätte. Das OLG Hamburg hat in seinem Beschluss vom 03.01.2019 einen vergleichbaren Fall zu entscheiden: Aus einer vorgelegten Testamentskopie kann ein Erbrecht nicht abgeleitet werden, so das Gericht. Vielmehr gelten für diesen Fall strenge Anforderungen an den Nachweis der Existenz eines entsprechenden Originals. Eine Kopie des Originaltestamentes kann als Nachweis aber ausreichen, wenn ihr die formgerechte Errichtung des Originaltestamentes nachgewiesen werden kann. Im Fall der Unauffindbarkeit eines Testamentes besteht keine Vermutung dafür, dass es vom Erblasser selbst vernichtet worden wäre und deshalb gem. § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist.

Tipp: 
Personen, die ein handschriftliches Testament errichten, ist dringend anzuraten, das Originaltestament beim örtlichen Nachlassgericht in die amtliche Verwahrung zu geben. Die Kosten hierfür sind relativ gering. Das Nachlassgericht registriert das Originaltestament auch von Amts wegen beim Zentralen Deutschen Testamentsregister in Berlin. Auch die Kosten hierfür sind gering. Durch die Hinterlegung und Registrierung wird sichergestellt, dass – unabhängig davon, wo der Erblasser später verstirbt – das Originaltestament aufgefunden und so zeitnah der beantragte Erbschein erteilt werden kann.